„Legt mein Hund seinen Kopf bei mir auf, ist er dominant!“

Da müssen Sie sich absolut keine Sorgen machen!

Die Idee, dass unser vierbeiniger Freund jede nur denkbare Möglichkeit, die sich ihm bietet, ausnutze, um uns zu „dominieren“, hat ihren Ursprung in der sog. „Dominanztheorie“. Ziel des Hundes sei es demnach, der alleinige Chef im Haus zu sein: Alles und jeder solle sich seinen Wünschen unterordnen! Dieses Problem könne nur gelöst werden, indem der Hundebesitzer die Rolle des Rudelführers übernehme und dadurch den Hund unter seine ständige Kontrolle bringe.

Die „Dominanztheorie“ erlebte Mitte des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Basis waren Verhaltensbeobachtungen an in Gefangenschaft lebenden Wolfsrudeln. Heute weiß man, dass die damals gesammelten Erkenntnisse weder auf in Freiheit lebende Wölfe geschweige denn auf unsere Haushunde übertragen werden können.

Auch wenn die „Dominanztheorie“ bereits vor gut 20 Jahren wissenschaftlich widerlegt wurde und neueste Ergebnisse der Verhaltensforschung ihre Ungültigkeit erneut bestätigen, halten sich die entsprechenden Ansichten und „Regeln“ leider nach wie vor hartnäckig im Hundetraining. Dieses Phänomen wird durch selbsternannte „Hundeflüsterer“, die überwiegend nach der „Dominanztheorie“ arbeiten und insbesondere in den Medien viel Raum bekommen, leider noch verstärkt.

Die moderne Wissenschaft hat sich bei der Beschreibung der Mensch-Hund-Beziehung längst vom „Rudelkonzept“ verabschiedet. Heute geht man beim Zusammenleben des Menschen mit Hunden vielmehr von einer familienähnlichen Struktur aus, vergleichbar einer Eltern-Nachkommen-Beziehung. Bei unseren Haushunden ist das Bedürfnis nach einer menschlichen Bezugsperson sehr stark ausgeprägt.

Wenn Sie nun z.B. auf einem Stuhl Platz genommen haben und Ihr Hund seinen Kopf auf Ihr Bein auflegt, müssen Sie ihn nicht vertreiben, um Ihrer Rolle als „Alphatier und Rudelführer“ gerecht zu werden. Kopfauflegen ist vielmehr ein Ausdruck dafür, dass Ihr Hund den Wunsch nach einer sozialen Interaktion mit Ihnen verspürt. Meist möchte er auf diese Weise Ihre Aufmerksamkeit erlangen, um eine Streichel- oder Spieleinheit von bzw. mit Ihnen zu bekommen. Wenn Sie seiner sanften Aufforderung nachkommen und sich mit Ihrem Hund beschäftigen, müssen Sie auch nicht sofort befürchten, dass nun aufmerksamkeitsheischendes Verhalten überhand nimmt. Freuen Sie sich doch vielmehr darüber, dass Sie Ihr Hund als Sozialpartner zu schätzen weiß!

Übrigens legt unser Hund seinen Kopf auch gerne auf den Couchtisch oder auf der Sofalehne auf und schaut uns dann bedeutungsschwer an… Ich glaube kaum, dass er in dieser Situation Tisch oder Sitzmöbel „dominieren“ will!